Worum geht's?

Aminata Touré ist Landtagsabgeordnete für Schleswig-Holstein und sich Ihrer Position als jüngste Landtagsvizepräsidentin Deutschlands mehr als bewusst. In ihrem ersten Buch reflektiert Sie umfangreich über politische Fragen. Wann ist etwas überhaupt politisch? Wie wird man eigentlich Politiker*In?

Sie erzählt aber nicht nur von Ihrem beruflichen Werdegang, sondern auch vom Aufwachsen als junge Schwarze in Deutschland. Vom alltäglichen Rassismus in Deutschland, die ihre Mutter unter anderem bewogen hatte eine Leiter zu kaufen, um bei der Vielzahl rassistisch motivierter (Brand-)Anschläge im Zweifelsfall die Wohnung über ein Fenster verlassen zu können.

Es bleibt interessanterweise nicht bei der einen Geschichte über Tourés Mutter. Dem Erfahrungsschatz der aus Mali geflohenen Frau wird mehr Raum gegeben. Die Autorin lässt ihre Mutter einen eigenen Text zum Buch beitragen. Hier liegt das Faszinierende der Leseerfahrung: Aminata Touré handelt konsequent genau nach den Wertvorstellungen, unter anderem Teilhabe und Vielfalt, die sie in diesem Buch darlegt.

Gespickt ist das Buch außerdem mit einer Reihe von Tourés Gedichten. Diese Gedichte sind nicht nur unglaublich lesenswert, sondern bereichern den Text um eine weitere, eine kunstvolle Perspektive. Es lassen sich viele Fragen an das Verhältnis von von Kunst und Politik anschließen.

Die Autorin liefert gleich noch eine Anleitung und wirklich dezidierte Erläuterung des politischen Alltags ab. Das Für und Wider eines solchen Berufs wird genauso weitsichtig abgewogen, wie die Grenzen und Chancen politischen Engagements auf unterschiedlicher Ebene.

Bestechend sind vor allem die ambitionierten Versuche für marginalisierte Gruppen Fortschritte zu erzielen, bei gleichzeitig differenzierter Darlegung von Tourés Erfahrungen im Politikbetrieb. Manchmal sei politische Arbeit nur Abwenden von Rückschritten und schlechten Entscheidungen. Der Anspruch bleibe aber die Entwicklung hin zu einer vielfältigen Gesellschaft. Verbunden wird das mit einem klaren Appell sich einzubringen wo möglich und wie es einem möglich ist. Das Buch ist gleichermaßen politische Standortbestimmung der Abgeordneten wie Analyse unserer Gegenwart.

Sachbuch, Biografie, Lyrikband, Anleitung und Beitrag der eigenen Mutter als Beispiel für das große Wissen der ersten Generation von Einwanderern. Dieses Buch hat fraglos einiges zu bieten. Man kann sich folglich dem Eindruck nicht entziehen, dass Aminata Touré nicht bloß ein weiteres Pamphlet entwickelt, sondern vermutlich die Messlatte für zukünftig erscheinende politische Sachbücher gehoben hat.

Simone Spelten