Worum geht's?

Schöner Scheitern

Nach dem ersten Weltkrieg will der junge Hermann Oberth Physik studieren. Die damalige Physik steht für nahezu unbegrenzte Möglichkeiten: das Auto ersetzt die Kutsche, die ersten Flugzeuge werden gebaut und Einstein formuliert die Relativitätstheorie. Widrige Umstände verhindern fast sein Studium. Denn nach dem ersten Weltkrieg ist er kein Deutscher mehr, seine Heimat Siebenbürgen gehört auf einmal zu Rumänien. Trotzdem schafft er es, einen Studienplatz in Göttingen zu bekommen. Doch die damaligen Ziele seiner wissenschaftlichen Kollegen sind ihm stets viel zu klein. Er träumt von einer Mondrakete, einer Weltraumrakete!

Als dann jedoch der zweite Weltkrieg ausbricht wird er zur unterstützenden Entwicklung bei Hitlers Vergeltungswaffe V2 angestellt. Unter seinem ehemaligen Schüler Wernher von Braun muss er diese Waffe unter äußerster Geheimhaltung für die Nationalsozialisten mit konzipieren. Die Familie bleibt dabei auf der Strecke. Seine Ehefrau Tilla hält zwar immer zu ihm, versucht die Familie irgendwie zusammenzuhalten, doch ein wirkliches Familienleben kann auch aufgrund der langen Abwesenheiten von Hermann Oberth nicht entstehen. Als seine Kinder Ilse und Julius beide im Krieg bleiben, muss er sich fragen wofür er selbst eigentlich gekämpft hat, an was für einem Regime er selbst beteiligt war.

Der Autor, selbst promovierter Physiker, blättert in diesem Buch ein ganz eigenes Kapitel deutscher Geschichte für uns auf. Die Figur des Hermann Oberth ist zwar verbürgt allerdings gibt es zu ihm selbst so gut wie keine Literatur, er wurde als Person am Rande wenig beachtet. Trotzdem hat es Daniel Mellem geschafft unglaublich dicht ranzugehen, er führt durch Kindheit, Jugend und Erwachsenenleben von Oberth. Doch dieser ist und wird kein weltberühmter Physiker wie viele seiner Kollegen zur damaligen Zeit, er ist ein Niemand. Keiner in seiner Umgebung nimmt ihn wirklich ernst und so sieht der Leser Oberth immer wieder beim Scheitern zu. Er scheitert an seinem Vater – er hätte Medizin studieren sollen – am Aufbau eines Familienlebens, an der Entwicklung der Mondrakete und daran seine eigenen Kinder vor der Diktatur zu schützen. Und trotz, oder gerade deswegen, schließt man diesen Charakter sofort ins Herz. Ein verschrobener Eigenbrötler, der sich die meiste Zeit in seiner eigenen Welt befindet. Die Geschichte eines Träumers. Lassen Sie sich in seiner Rakete mit zu den Sternen nehmen!