Worum geht's?

Aufgewachsen in Armut und Elend, übernimmt die Chefin mit sechzehn bei dem reichen Ehepaar Clapeau die Küche. In dieser Konstellation entfaltet sich ihre Persönlichkeit, und ihre Kochkunst nimmt hohe und höchste Formen an. Wir erleben den glasklaren Blick der gänzlich uneitlen Chefin auf die Clapeaus, die ihr aus der Hand fressen, auf die allseitigen Abhängigkeiten. Und wir sind fasziniert von der bedingungslosen Hingabe der Chefin an die Kochkunst, die sie auf den Gipfel ihres berühmten Restaurants La Bonne Heure und mehr und mehr zum Streben nach einer letzten Einfachheit führt.

Der Erzähler – der Chefin in größtem Respekt wie in vergeblicher Liebe verbunden – hat als Jungkoch mit neunzehn im La Bonne Heure angefangen. Da der Koch die Chefin erst als Chefin kennengelernt hat, spricht er ganz selbstverständlich auch von der jugendlichen Protagonistin als Chefin, also längst bevor diese wirklich Küchenchefin eines berühmten Restaurants war.
Der Entwicklung der Romanfigur tut das frühe und glaubwürdige Angesprochensein als Chefin sehr gut. Die Autorin implementiert im Leser die Erwartung auf Einlösung einer früh aufscheinenden Verheißung. Und der Figur bereits der jugendlichen Chefin wiederum eignen Fähigkeiten, die es geeignet erscheinen lassen, den mit dem Titel Chefin von Anfang an erhobenen Anspruch tatsächlich einzulösen. Wir Leser erfahren die Entwicklung des Romans und besonders seiner Protagonistin als stringent und in schöner Geschlossenheit. Gebannt folgen wir dem Fortgang der Geschichte, erzählt von einer Autorin, deren Formbewußtsein und Sprachmacht gleichermaßen ausgeprägt wie zurückgenommen sind.