Worum geht's?
Der Roman Amrum von Hark Bohm hat alles, was ich von einem Roman erwarte:
eine Geschichte mit Spannungsbögen, ein stimmiges Setting, gut ausgearbeitete Charaktere, stimmige Dialoge, ein wenig Tragik und Drama und im besten Falle eine Prise Humor.
Hark Bohm erzählt in diesem Roman einen Zeitabschnitt seiner Kindheit.
Es ist das Frühjahr 1945. Bis Kriegsende ist es nicht mehr lang, doch noch dröhnen die Flugzeuge über Amrum hinweg, und manchmal werfen sie Bomben über dem Meer ab.
Der 10jährige Nanning (Bohms Alter Ego) lebt mit seiner hochschwangeren und regimetreuen Mutter, seinen kleineren Geschwistern sowie seiner Tante, die die Nazis verachtet, in Norddorf. Sein Vater ist SS-Obersturmführer in Hamburg.
Nanning und sein gleichaltriger Freund Hermann helfen der Bäuerin Tessa täglich beim mühseligen Bestellen des Hofes. Die Schule müssen sie deshalb immer wieder schwänzen. Aber Lebensmittel sind in den letzten Kriegstagen knapp, und für ihre Arbeit auf dem Feld bekommen die Jungen Milch, Kartoffeln, Futter für die eigenen Tiere, und manchmal sogar ein Stück Butter.
Der Roman beginnt mit sehr schönen, poetischen Naturbeschreibungen.
Streckenweise liest er sich wie ein Abenteuerroman, dann wie ein Entwicklungsroman in historischem Kontext.
Und ein bisschen wie ein Schelmenroman, wenn es um die gewieften Einfälle des Jungen geht, legal an Lebensmittel zu kommen.
Abenteuerlich sind die Geschichten von der Jagd nach Vögeln, Fischen und Kaninchen, die der Familie in den Zeiten der großen Knappheit helfen sollen.
Da ist das spannende Kapitel im Watt, in dem die Jungs in Lebensgefahr geraten. Und die Episode mit einem Stier, Prügeleien mit den ersten Kindern geflüchteter Familien aus dem Osten,und das entdecken einer Leiche am Dachbalken.
Fühlbar ist die Zerrissenheit des 10jährigen Nanning zwischen Liebe zu Mutter und Vater und der größer werdenden Zweifel bezüglich ihrer politischen Einstellung.
Immer häufiger gerät er in einen Gewissenskonflikt, wenn es um andere Menschen auf der Insel geht, die ihm wichtig sind, und die eine ganz andere politische Haltung haben.
Die politischen Gräben velaufen auch durch die Familie. Dabei weiß Nanning nicht wirklich, was Nationalsozialismus eigentlich ist.
Für Nanning endet seine Kindheit abrupt, als der Krieg aus ist. Aufgedeckte Familiengeheimnisse spielen dabei auch eine Rolle.
Der Frieden bringt völlig neue Konflikte, und Nanning muss lernen, seinen eigenen Weg zu finden.
Und doch steht im Mittelpunkt des Romans die tiefe Freundschaft zwischen
Nanning und Hermann, die´wohl eine fürs Leben sein wird.
Sehr empfehlenswert: Das Hörbuch genial gelesen von Torben Kessler.