Worum geht's?

Luchterhand; 20€, 978-3-630-87542-2

Wo manche glauben mit Sally Rooney die Stimme einer ganzen Generation ausgemacht zu haben, dürfen auch die nicht fehlen, die in der jungen Irin die überschätzteste Autorin seit langer Zeit gefunden haben wollen. Die Wahrheit? Vermutlich irgendwo dazwischen.

Treffen in Rooneys Erstlingswerk Gespräche mit Freunden zwei junge Frauen auf ein Künstlerpaar, lässt sie in ihrem neuen Roman die Teenager Connell und Marianne aufeinanderprallen. Wir begleiten die beiden Schüler bis in ihre Studienzeit, mit wenigen Unterbrechungen, durch die Jahre 2011 bis 2015.

Fraglos sind beide kluge Köpfe, ihr familiärer Hintergrund könnte unterschiedlicher aber kaum sein. Connells alleinerziehende Mutter arbeitet als Haushälterin für Mariannes Mutter, die ihre eigene Tochter tyrannisiert. Die geordneten Verhältnisse der Familie und ihr Wohlstand sind bloße Fassade. Die jungen Erwachsenen, er sportlich und beliebt, sie schlecht integriert und sonderbar, sind erwartungsgemäß schwer mit Ihrer Wirkung auf andere beschäftigt.

Marianne und Connell reden stetig aneinander vorbei. Sie können nicht mit, aber auch nicht ohne einander. Ihr Verhältnis wandelt sich mehrfach, unter anderem weil der junge Mann die gemeinsame Beziehung zu Schulzeiten nicht öffentlich zugeben will. Größere Unabhängigkeit scheint Marianne an der Universität wiederzugewinnen.

Sally Rooney behandelt eine Vielzahl von Themen wie psychische Gesundheit junger Menschen in Irland, Sexualität in Verbindung mit Gewalt und Unterwürfigkeit, wie auch die Bedeutung gesellschaftlicher Hierarchie.

Hervorzuheben sind wenige Passagen des Romans, die sich mit der Rolle von Kunst auseinandersetzen und den Literaturbetrieb kritisch reflektieren. Als angehender Literat erkennt die Figur Connell eindrücklich, “(…) dass dieselbe Vorstellungskraft, die er als Leser benötigt, notwendig ist, um echte Menschen ebenfalls zu verstehen und ihnen nahe zu sein.“ (S. 85) Über Literaturlesungen heißt es: „An ihnen nahmen nur Leute teil, die die Sorte Leute sein wollten, die an so etwas teilnahmen.“ (S. 262) Schade, dass die unmittelbare Sprache des Romans bisher selten als kreative Entscheidung der Autorin als vielmehr als schieres Unvermögen ausgelegt worden ist.

Lesen Sie selbst.