Neuerscheinungen

Sandy Stark McGinnis: Bird Girl

Die 11-jährige Dezember weiß alles über Vögel. Ihr Wissen hat sie aus einem Handbch der Vogelkunde. Und dieses Buch ist das einzige, was sie von ihrer Mutter hat. Sie ist verschlossen und träumt davon, als Vogel davonzufliegen. Das ist ihr großes Geheimnis ebenso wie das von ihr geschriebene Buch „Bird Girl“, in dem sie sich selber eine Lebensgeschichte geschrieben hat und das sie um keinen Preis hergeben will.

Bei keiner Pflegefamilie darf Sie lange bleiben, ein echtes Zuhause hat sie bisher nicht kennengelernt.

Dann kommt sie zu Eleanor, einer allein lebenden Frau, die sich mit Vögeln ebenfalls sehr gut auskennt und auf einer Tierauffangstation arbeitet. Dezember darf einen verletzten Greifvogel betreuen und fasst langsam Vertrauen zu Eleanor. Sollte es tatsächlich auch für Dezember ein Nest geben, in dem sie bleiben darf?

Carola Mirhoff

  • Autor/enSandy Stark McGinnis
  • Verlagcbj
  • Preis15€
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John Boyne – Die Geschichte eines Lügners

Innenansichten des Schriftstellermilieus

Maurice Swift würde alles dafür tun, um ein berühmter Autor zu werden. Seit seiner frühen Jugend hat er diesen Wunsch. Allein, ihm fehlen gute Geschichten. Das Schreiben ist nicht sein Problem, nur eine zündende Idee will ihm einfach nicht kommen. Und so findet er Mittel und Wege, sich auf mehr oder weniger legale Weise Ideen, oder auch fast fertige Romane, zu beschaffen.

Die Verlagswelt bewundert ihn für seine Romane, er bekommt Preise und führt ein gutes Leben. Er sonnt sich im Ruhm und profitiert von der Macht, die er auch durch sein gutes Aussehen auf andere ausüben kann. Außer ihm gibt es sowieso keine rechtmäßigen Akteure in der Welt der Literatur. Irgendwann gründet er selbst eine Literaturzeitschrift, um junge Talente zu fördern und um ihnen eine Möglichkeit zur Veröffentlichung zu bieten.

Doch er wird immer radikaler in seiner Ideenbeschaffung, und irgendwann überspannt er den Bogen. Das Genre „Schriftsteller-schreiben-über-Schriftsteller“ wird von mir nicht besonders geschätzt. Auch das Schreiben über Schreibblockaden weckt bei mir keine Begeisterung. Aber einem Autor, der mit „Der Junge im gestreiften Pyjama“ einen absoluten Weltbestseller veröffentlicht hat, möchte ich gerne eine Chance geben. Genutzt hat er sie leider nicht. Das Buch ist in drei größere Abschnitte eingeteilt, mit kleineren Zwischeneinschüben. Die Hauptfigur Maurice Swift ist ein narzisstischer, persönlichkeitsgestörter Psychopath, dabei jedoch vollkommen uninteressant. Auch das sich seine Persönlichkeitsstörung immer mehr steigert, immer radikaler wird im Laufe des Buches, kann nicht als origineller Einfall bezeichnet werden. Zudem wirft die grundsätzliche Schilderung der Verlagswelt Fragen auf.

Der generelle Hang von Schriftstellern zur Egozentrik ist nachvollziehbar, ist das Schreiben doch fast immer eine einsame Tätigkeit. Nur warum es in dieser Szene ausschließlich homosexuelle Männer geben soll, hat sich mir nicht erschlossen. Das größte Problem ist jedoch, dass seine Hauptfigur so außergewöhnlich unsympathisch ist. Sie ist nicht facettenreich, hat keine guten und schlechten Seiten, wird nicht von den äußeren Umständen in diesen Narzissmus getrieben. Er ist böse, weil er böse ist. Und das reicht für mich nicht.

  • Autor/enJohn Boyne
  • VerlagPiper
  • Preis24 €
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Dave Eggers – Die Parade

Ein vom Bürgerkrieg gezeichnetes Land soll eine neue Straße bekommen. Sie soll den armen Süden mit dem reichen Norden verbinden. Dazu werden zwei Männer, die aus einem Entwicklungshilfe-Fond bezahlt werden in dieses namenlose Land geschickt. Der Eine wurde für ähnliche Arbeiten schon öfter engagiert, der Andere muss komplett neu angelernt werden. Nach kurzer Einarbeitung wird zügig losgelegt und die beiden beginnen mit einer extra dafür entwickelten Maschine die Straße zu asphaltieren. Handel, Kultur und sonstiger Austausch sollen dadurch zwischen den Landesteilen gefördert werden.

Allerdings zeigt sich schon nach kurzer Zeit, dass der Eine sehr viel motivierter bei der Sache ist als der Andere. Es kommen Kontakte zu Einheimischen zustande, die aus Sicherheitsgründen eigentlich streng verboten sind. Auch infolgedessen kommt es zu jeder Menge Zwischenfälle, aber schlussendlich ist die Straße fertig.

Dieses Buch beschreibt in der Tat, wie zwei Männer eine Straße asphaltieren. Was wie die langweiligste Geschichte aller Zeiten klingt, ist in Wahrheit ein sehr spannendes Buch mit moralischem Unterbau. Dave Eggers verhandelt an einem sehr einfach gehaltenen Beispiel die ganz großen ethischen Fragen der Entwicklungshilfe. Nicht umsonst kommt, wer dieses Buch beschreiben möchte, nicht ohne den Begriff der Parabel aus. Es scheint mühelos, wie Eggers den Leser in Sicherheit wiegt. Denn eine Straße, eine Verbindung, kann für alle doch nur von Vorteil sein. Genau darum geht es doch in der Entwicklungshilfe stets: Hilfe zur Selbsthilfe. Aber die moralische Abrissbirne schwingt bereits. Und wer ganz am Ende glaubt, ohne Blessuren aus dieser literarischen Kostbarkeit entlassen zu werden, wird eines Besseren belehrt.

  • Autor/enDave Eggers
  • VerlagKiepenheuer & Witsch
  • Preis20 €
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Daniel Mellem – Die Erfindung des Countdowns

Schöner Scheitern

Nach dem ersten Weltkrieg will der junge Hermann Oberth Physik studieren. Die damalige Physik steht für nahezu unbegrenzte Möglichkeiten: das Auto ersetzt die Kutsche, die ersten Flugzeuge werden gebaut und Einstein formuliert die Relativitätstheorie. Widrige Umstände verhindern fast sein Studium. Denn nach dem ersten Weltkrieg ist er kein Deutscher mehr, seine Heimat Siebenbürgen gehört auf einmal zu Rumänien. Trotzdem schafft er es, einen Studienplatz in Göttingen zu bekommen. Doch die damaligen Ziele seiner wissenschaftlichen Kollegen sind ihm stets viel zu klein. Er träumt von einer Mondrakete, einer Weltraumrakete!

Als dann jedoch der zweite Weltkrieg ausbricht wird er zur unterstützenden Entwicklung bei Hitlers Vergeltungswaffe V2 angestellt. Unter seinem ehemaligen Schüler Wernher von Braun muss er diese Waffe unter äußerster Geheimhaltung für die Nationalsozialisten mit konzipieren. Die Familie bleibt dabei auf der Strecke. Seine Ehefrau Tilla hält zwar immer zu ihm, versucht die Familie irgendwie zusammenzuhalten, doch ein wirkliches Familienleben kann auch aufgrund der langen Abwesenheiten von Hermann Oberth nicht entstehen. Als seine Kinder Ilse und Julius beide im Krieg bleiben, muss er sich fragen wofür er selbst eigentlich gekämpft hat, an was für einem Regime er selbst beteiligt war.

Der Autor, selbst promovierter Physiker, blättert in diesem Buch ein ganz eigenes Kapitel deutscher Geschichte für uns auf. Die Figur des Hermann Oberth ist zwar verbürgt allerdings gibt es zu ihm selbst so gut wie keine Literatur, er wurde als Person am Rande wenig beachtet. Trotzdem hat es Daniel Mellem geschafft unglaublich dicht ranzugehen, er führt durch Kindheit, Jugend und Erwachsenenleben von Oberth. Doch dieser ist und wird kein weltberühmter Physiker wie viele seiner Kollegen zur damaligen Zeit, er ist ein Niemand. Keiner in seiner Umgebung nimmt ihn wirklich ernst und so sieht der Leser Oberth immer wieder beim Scheitern zu. Er scheitert an seinem Vater – er hätte Medizin studieren sollen – am Aufbau eines Familienlebens, an der Entwicklung der Mondrakete und daran seine eigenen Kinder vor der Diktatur zu schützen. Und trotz, oder gerade deswegen, schließt man diesen Charakter sofort ins Herz. Ein verschrobener Eigenbrötler, der sich die meiste Zeit in seiner eigenen Welt befindet. Die Geschichte eines Träumers. Lassen Sie sich in seiner Rakete mit zu den Sternen nehmen!

  • Autor/enDaniel Mellem
  • VerlagDTV
  • Preis23 €
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Steven Levy: Facebook. Weltmacht am Abgrund.

Keine Nation der Erde hat mehr Einwohner als Facebook Nutzer hat. Aber welche Auswirkungen hat so eine einflussreiche Position? Anhand der Firmengeschichte von Facebook zeigt Steven Levy wie sich unser Leben durch digitale Technologien in den letzten paar Jahren gewandelt hat.

Levy, seit Jahren Journalist für Technologie und Digitalisierung, legt seiner Darstellung rund 300 Interviews mit aktuellen und ehemaligen Facebook Mitarbeiter*innen zugrunde. Er beleuchtet sowohl die Anfänge des sozialen Netzwerks, als auch dessen von Skandalen geprägte Entwicklung bis in die Gegenwart.

Dabei erklärt er, welche Funktionen der Plattform unzählige Nutzer eingebracht haben und auch wie das Unternehmen daraus Gewinne generiert. Nach eigener Aussage wollen führende Köpfe Facebooks die ganze Welt miteinander vernetzen. So werden Entscheidungen ausnahmslos im Hinblick auf dieses ehrgeizige Wachstumsziel getroffen und Konkurrenten wie Instagram oder WhatsApp dabei aufgekauft. Öffentlich umstritten sind solche Geschäftspraktiken wie auch der unverantwortliche Umgang mit Fragen des Datenschutzes.

Dieses ausgesprochen informative Buch verdeutlicht die Strategie des Unternehmenschefs Marc Zuckerberg sowie Gefahren der Netzwerkstruktur. So erinnert Levy daran, dass Wahlbeeinflussung durch Facebook bereits zur Ära Barack Obamas diskutiert wurde, die letztlich im Skandal um Cambridge Analytica mündete. Um Dynamiken des Silicon Valley zu verstehen, ist Levys hochspannende Analyse besonders aufschlussreich, gerade im Hinblick auf die US-Wahlen (2020).

  • Autor/enSteven Levy
  • VerlagDroemer
  • Preis26 €
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Nicci French: Eine bittere Wahrheit

Tabitah kehrt als frischgebackene Hausbesitzerin in ihr Heimatdorf zurück. Sie ist gesundheitlich angeschlagen und ohne Antrieb, als man eine Leiche in ihrer Gartenhütte findet.

Schnell wird klar, Tabitah und den Toten verbindet eine gemeinsame Vergangenheit. An die kann sich die mutmaßliche Mörderin erinnern. Nicht aber daran wie der Mann auf ihr Grundstück gelangen konnte oder ob sie mit seinem Tod etwas zu tun haben könnte. Die Dorfbewohner haben ihre eigene Auffassung davon, was die wunderliche Zurückgekehrte betrifft, die viele noch als Kind aus der Zeit kennen, bevor Tabitah wegzog.

In der Haft macht sich die Frau selbst an die Ermittlungsarbeit und beschließt, sich gegen jede Empfehlung vor Gericht selbst zu verteidigen.

Immer spannend sind Krimis, wenn sie mit Genrekonventionen spielen. Hier wird bis zum Ende unterhaltsam und überzeugend erzählt. Selbst wenn Eigenheiten des britischen Justizsystems unbekannt sind, so spinnen die Autoren eine mitreißende und stimmige Geschichte. Ein mutmaßliches Opfer, gleichzeitig aber eine potentielle Täterin, die im eigenen Fall ermittelt, inklusive einer differenzierten Darstellung mentaler Gesundheit machen das Buch zu einem bemerkenswerten Krimi.

Krimi und Justizthriller gleichermaßen ist „Eine bittere Wahrheit“ unabhängig von der berühmten Frida Klein-Serie des Autorenduos Nicci French zu lesen.

  • Autor/enNicci French
  • VerlagC. Bertelsmann
  • Preis16 €
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Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre: Alle sind so ernst geworden

Zwei Autoren über Glitzer im Glas, den PEN-Club und vieles mehr.

Die Grundlage für das gemeinsame Buch von Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre sind Gespräche der beiden, die bereits als Podcast aufgenommen und für die Buchveröffentlichung überarbeitet wurden.

Gewohnt zügig spricht Stuckrad-Barre über das Ende seines Germanistikstudiums: Das sei schlicht nicht sein Tempo gewesen, und über die Frage was Verliebtsein und Liebe eigentlich voneinander unterscheidet. Martin Suter lässt sich über missglückte Interviews und unbezahlte Rechnungen aus.

Dabei sind die Dialoge der beiden überraschend wohltuend zu lesen, gerade weil sie vor den jüngsten Entwicklungen entstanden sind.

Der Höhepunkt des kurzweiligen Buches ist sicherlich das Kapitel mit und über Siri. Die beiden Autoren ziehen im Schlagabtausch mit dem sprachgesteuerten Gerät jegliche Register. Sie lassen nach Gedichten suchen und stellen philosophische oder bloß alberne Fragen. Siri zeigt sich überfordert. Ein gefundenes Fressen für die beiden, und zum Schreien komisch. Man riecht fast das Plastik schmilzen.

Stuckrad-Barre beschließt, es ginge ihm einfach sehr viel besser, wenn er Martin Suter ab und zu zum Quatschen treffe.

Uns auch.

  • Autor/enMartin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre
  • VerlagDiogenes
  • Preis22 €
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Jim Field: Mister Oscar macht Ferien

Ein Wimmelbuch zum Englischlernen? Don´t mind if I do!
Mister Oscar, seinerseits exzellent gekleideter Hund aus Großbritannien, und sein Goldfischfreund namens Chips verreisen. Ihr bevorzugtes Fortbewegungsmittel dabei ist Mister Oscars rotes Fahrrad, und mit dem erleben die beiden richtig viel.
Nicht nur am Strand, sondern auch im Schnee sind sie unterwegs und treffen dabei auf viele andere Tiere. Natürlich sind auch die mit Schwimmreifen und Co. ausgestattet. Es ist ja schließlich Urlaubszeit!
Die Zeichnungen sind witzig und detailreich. Immer wieder gibt es Neues zu entdecken. Englische Hauptwörter werden direkt ins Deutsche übersetzt, und die wenigen Verben und alltäglichen Phrasen runden dieses unterhaltsame Bilderbuch hervorragend ab.

  • Autor/enJim Field
  • VerlagPenguin
  • Preis15 €
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